Interview mit Marco Langhof

Für den Aufbau einer 5G-Netzinfrastruktur im Technologiepark Ostfalen erhält die Gemeinde Barleben 3 Millionen Euro Bundesmittel. Mehr als 140 vor allem mittelständische Unternehmen sind im Technologiepark Ostfalen in Barleben angesiedelt.
Projektpartner Marco Langhof, Geschäftsführer der teleport GmbH in Barleben, informiert aus seiner Sicht, wie 5G die Zukunft der Produktion verändert.

Herr Langhof, können Sie die Begriffe „Industrie 4.0“ und „5G“-Netzwerkkommunikation für die Nichtinsider unserer Leserschaft bitte an einem Beispiel erläutern? Wo sehen Sie die Potentiale für den Industriestandort Barleben und die IT-Dienstleister Ihres Verbandes VITM?

Es gibt keine endgültige Definition für den Begriff ‚Industrie 4.0‘. Am ehesten trifft es die folgende: „Industrie 4.0″ ist die Bezeichnung für ein Zukunftsprojekt zur umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion, um sie für die Zukunft besser zu rüsten“. Bei der Digitalisierung kommen die verschiedensten Technologien zum Zuge – welche genau die Industrie der Zukunft am meisten prägen werden, muss noch herausgefunden werden.

Allerdings: Die Industrie der Zukunft ist mit der Erzeugung, Verarbeitung und Übertragung von Daten untrennbar verknüpft. Insofern braucht es eine Technologie, Daten an allen Stellen, an denen sie anfallen und benötigt werden, in der richtigen Qualität, Geschwindigkeit und Sicherheit bereitzustellen. Undenkbar, dafür an alle Stellen in der Produktion Kabel zu verlegen. Und hier kommt 5G ins Spiel. In der öffentlichen Wahrnehmung spielt bisher nur die hohe Bandbreite bis zu einem Gigabit pro Sekunde eine Rolle. Hohe Bandbreite allein genügt allerdings für die industrielle Nutzung nicht. Wichtig ist die Echtzeit-Fähigkeit – was nutzen viele Daten, wenn sie mit einer Sekunde Verzögerung ankommen?
Hinzu kommt die hohe Störfestigkeit – gerade in der Industrie sind elektromagnetische Störungen durch große Motoren oder leistungsstarke elektrische Schaltvorgänge an der Tagesordnung. Schließlich kommt auch das gute alte WLAN bereits heute sehr schnell an seine Grenzen, wenn es um höchste Zuverlässigkeit und Sicherheit der Datenübertragung geht. Hier bietet 5G allerhöchste Flexibilität, um drahtlos Verbindungen sicher und zuverlässig einzurichten und zu verwalten.

Wie können in Barleben ansässige Unternehmen welcher Branchen und Investoren der Zukunft von dem Projekt profitieren, gibt es klassische betriebliche Einsatzfälle, bei denen die Effekte zum Tragen kommen können?

Wir wissen inzwischen, dass die Produktionskommunikation ohne 5G nicht zu organisieren sein wird. Das haben auch große Industrieunternehmen längst erkannt und erwarten bei ihren Investitionsentscheidungen, dass 5G Netze vorhanden sind. Notfalls bauen sich sehr große Unternehmen auch ihre eigenen 5G Netze auf – das kann ein mittelständisches Unternehmen sicher nicht ‚stemmen‘. Andererseits sehen wir, dass sehr viele Mittelständler in komplexen arbeitsteiligen Prozessen mitwirken, die zukünftig ohne 5G nicht verknüpft werden können. Deshalb ist es das Ziel des 5G Projektes in Barleben, bereits bestehende Anwendungsideen aufzunehmen, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität ‚abzuklopfen‘ und ein Portfolio an 5G Musterlösungen zu entwickeln.
Schwerpunkte sind hier u.a. ‚remote robotics‘ – die Fähigkeit, Industrieroboter aus der Ferne einzurichten, anzulernen und zu betreuen, ‚remote test bench‘ – der Fernbetrieb von Prüfständen vorzuhalten und den sehr schnellen Entwicklungen folgen zu können. Im Gegensatz zu sehr großen Konzernen wird es also auch im Thema 5G schwer möglich sein, auf dem Laufenden zu bleiben und die richtigen Investitionen zu entscheiden.
Aber dafür gibt es ja Dienstleister und genau deshalb versuchen wir mit dem 5G Projekt in Barleben, diese Technologie auch für kleine und mittelständische Unternehmen ohne grundlegende Investitionen nutzbar zu machen.
Und so stelle ich mir vor, dass man demnächst bei seinem Dienstleister anruft, einfach eine Verbindung von Maschine A mit Maschine B und Sensor C bestellt und Minuten später loslegen kann.

Wie sehen Sie, Herr Langhof, Ihre persönliche Rolle und die Ihrer teleport GmbH als Projektpartner und Dienstleister für die am Standort ansässigen Projektteilnehmer?

IT und Telekommunikation ist in der Industrie kein Selbstzweck. Wir als Dienstleister müssen zuhören und verstehen, was der Produktivität helfen kann. Andererseits müssen wir aber auch immer wieder „zeigen, was geht“, Impulse geben und Innovation anstoßen.
Genau das geschieht in diesem Projekt. Auch wenn es am Anfang schwer war unsere Ideen und Visionen zu vermitteln, haben die beteiligten Industrieunternehmen innerhalb kurzer Zeit sehr genaue und ambitionierte Vorstellungen davon entwickelt, was sie von 5G erwarten. Das fordert uns heraus und diese Herausforderung nehmen wir gerne an.

Erkennen Sie Schnittstellen und Berührungspunkte Ihrer Arbeit zu den wissenschaftlichen Anbietern der Region?

Eines ist uns im Verlauf der Projektvorbereitung immer klarer geworden: Im Thema 5G stehen wir noch ganz am Anfang. Und genau in dieser Situation ist das Zusammenspiel mit Wissenschaft und Forschung unglaublich wichtig. Daher freue ich mich sehr, dass wir mit dem ifak einen praxisorientierten Wissenschaftspartner gefunden haben, der tief in der Materie steckt und andererseits einen klaren Blick für realistische Ziele und Machbarkeiten hat.

Gibt es Kontakte und Abstimmungen mit anderen 5G-Modell-Regionen, die von der Unterstützung des Bundes profitieren sollen?

Aus meiner Sicht wäre das 5G Projekt in Barleben nicht erfolgreich, wenn es allein in Barleben erfolgreich wäre. Unser Ziel ist es, ein Modell eines 5G Dienstleisters für den Mittelstand zu entwickeln, das für viele Gewerbegebiete ähnlichen Zuschnitts tragfähig ist. Unsere Anregung an die Landespolitik ist es, solche Modelle auch für das Thema Strukturwandel in der Braunkohle in Erwägung zu ziehen.