Interview mit Burkard Grupe

Burkard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, war Mitinitiator der Magdeburger Schaufenster-Aktion gegen die Bedrohung der Dienstleistungsbranchen des Handwerks durch die Corona-Einschränkungen
Wir befragten ihn zur derzeitigen Situation und der Aktion in Magdeburg.





Sehr geehrter Herr Grupe,
können Sie bitte in wenigen Zahlen ausdrücken, in welchem Umfang Friseur-, Kosmetiker- und Fußpflegeunternehmen in Sachsen-Anhalt von den Corona-Maßnahmen betroffen sind?

In unserem Kammergebiet sind 726 Kosmetiker und 966 Friseure eingetragen. Die derzeit aktuelle Zahl erfahren Sie in der Handwerkskammer Halle. Jeder Betrieb ist betroffen.

Wie beurteilen Sie den Unterschied bei der Unterstützung großer und kleiner Unternehmen in der Dienstleistungsbranche des Handwerks, was würden Sie daran ändern, wenn Sie mehr politische Verantwortung tragen würden?

Problematisch ist, dass viele Friseure und Kosmetiker für Dezember 2020 keine finanzielle Unterstützung erhalten, da der Umsatzverlust weniger als 30% beträgt. Viele Dienstleister haben den Kunden zuliebe in den Tagen vor der Schließung noch sehr viele Termine realisiert. Durch die Mehreinnahmen sind die Voraussetzungen für Unterstützung nicht erfüllt. Dies führte zu Unzufriedenheit. Schlimmer ist jedoch, dass bisher für die Monate Januar und Februar 2021 kein Antrag auf Überbrückungsgeld III gestellt werden konnte und damit bisher auch kein Geld geflossen ist. Mittlerweile herrscht auf vielen Bankkonten Ebbe. Zu beachten ist auch, dass es in dieser Branche eine hohe Zahl an Kleinunternehmen gibt. Das bedeutet, viele Friseure und Kosmetiker erhalten als Saloninhaber kein Kurzarbeitergeld. Der Unternehmerlohn wird beim Überbrückungsgeld III nicht ausreichend berücksichtigt. Die angesetzten Summen reichen kaum für die Kranken-, Pflege und Rentenversicherung etc. Da bleibt nichts mehr zum Leben übrig. Im Vergleich zu den großen Unternehmen ist hier die Möglichkeit Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden, äußerst gering. Derzeit wird in vielen Fällen die Altersvorsorge aufgebraucht. Das darf nicht sein. Der Unternehmerlohn muss viel stärker berücksichtigt werden.

Unabhängig davon: Da diese Branche sehr gute Hygienekonzepte besitzt und Hotspots nach unserem Kenntnisstand kaum entstanden sind, wäre es besser gewesen, die Friseure und Kosmetiker nicht zu schließen.

Können Sie unter dem Motto „Aktionen lohnen“ bereits über positive Reaktionen oder gar wirkungsvolle Resonanz auf Ihre „Schaufenster“-Initiative berichten? War die Meldung „Seehofer spricht sich für Öffnung von Friseursalons aus“ vielleicht sogar ein Ergebnis, das Sie als Teilerfolg der Mahnung durch die Handwerkskammern verbuchen können oder eher ein Zufall?

Dass die Politik über Öffnungen von Friseursalons nachdenkt, liegt nicht an einer einzigen, sondern an der Vielzahl von Aktionen. Es gab unzählige Schreiben und Gespräche mit Politikern, Demonstrationen, Videos in den sozialen Medien, viele Aktionen (Licht-an, Lichterkette, Schaufenster etc.) sowie Pressetermine. Nicht nur die Handwerksorganisationen (Innungen, Verbände, Kammern) waren aktiv. Viele Saloninhaber haben die Initiative ergriffen, um auf ihre Not aufmerksam zu machen. Insofern ist die Aussage von Herrn Seehofer definitiv kein Zufall gewesen.

Das Unverständnis darüber, dass auch in manchen Regionen mit sehr niedrigen Inzidenzwerten die Salons zubleiben, obwohl hier die Kundenzahl durch Terminvergabe gut gesteuert und durch durchdachte Hygienekonzepte die Infektionsgefahr extrem reduziert werden kann, steigt zunehmend in immer mehr Teilen der Politik und auch der Bevölkerung.


Wie erklären Sie sich die weit verbreitete Vermutung, dass sich vor allem einige Politiker, Fußballprofis und Schauspieler einen illegalen Zugang zu den Dienstleistungen des Friseurhandwerks verschafft haben?

Es ist kaum vorstellbar, dass so viele Ehefrauen die Haare so perfekt schneiden und frisieren können.

Teilen Sie die Befürchtung, dass das vorübergehende Berufsverbot in der Branche bereits zu Schwarzarbeit geführt hat und wie bewerten Sie diese scheinbare Tendenz in der aktuellen Situation?

Einige Friseure berichten uns, dass sie regelrecht von Ihren Kunden bedrängt werden. Sicherlich gibt hier die eine oder der andere nach und schneidet in der heimischen Küche. So nachvollziehbar es ist, dass aus finanziellen Sorgen, Angst um den Weggang der Kundschaft oder auch aus Unverständnis der Einschränkungsmaßnahmen so gehandelt wird – es ist Schwarzarbeit und kein Kavaliersdelikt.

Was sagt die Friseurin Ihres Vertrauens, wie ist die Stimmungslage unter den betroffenen Unternehmen vor und nach Ihrer Schaufensteraktion? Gibt es Signale der Hoffnung auf baldige Rückkehr zu einer relativen Normalität im Handwerk?

Die Stimmung vor der Schaufensteraktion war frustriert, danach von Zuversicht geprägt. Die Aussage von Ministerpräsident Haseloff, dass Lockerungen in diesem Bereich denkbar sind, veranlassen einige dazu, bereits Termine zu vereinbaren, damit die Arbeit am 15.02. sofort losgehen kann.

Danke für Ihre offenen Worte und weiter viel Erfolg bei der Erreichung Ihrer Ziele!