Interview mit Wolf-Dieter Schwab

Wir sprachen mit Wolf-Dieter Schwab, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt GmbH, über die derzeitige Lage, wie er seine Arbeit in der Corona-Zeit organisiert und natürlich über besonderen spezielle Angebote der Bürgschaftsbank für Mittelstand und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt während und nach der Krise.


Sehr geehrter Herr Schwab, was wären Ihre wichtigsten drei Botschaften an die Leser der WIRTSCHAFTSPOST, wenn Ihre traditionelle Jahrespressekonferenz von Bürgschaftsbank (BB) und Mittelständischer Beteiligungsgesellschaft (MBG) morgen stattfinden würde?

Wolf-Dieter Schwab: Im Jahr 2019 ist unser Neugeschäft an Bürgschaftsübernahmen und Beteiligungen gegenüber 2018 deutlich gestiegen, weil Banken und Sparkassen auf Grund von konjunkturellen Negativeinflüssen wieder verstärkt auf die Sicherheiten der Bürgschaftsbank und die Eigenkapitalstärkung durch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft setzen. Das wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, zumal wir in unserem Geschäft einen hohen Grad an Digitalisierung umgesetzt haben. Zweitens: Wir haben in 2019 fast 88 Millionen Euro Investitionen in Sachsen-Anhalts Wirtschaft ermöglicht. Und meine dritte Botschaft freut mich besonders: Mit unserer finanziellen Begleitung konnten wir bei 47 altersbedingten Betriebsübergaben die Nachfolge absichern und damit zur Fortführung dieser Unternehmen beitragen. Der anstehende Generationswechsel in der Unternehmenslandschaft Sachsen-Anhalt ist bekanntlich ein dringliches Problem.

Wie haben sich Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft in den letzten Wochen selbst organisiert, um auf die veränderte Situation in der Wirtschaft unsres Landes, die sicher auch Ihre Arbeit beeinflusst, zu reagieren? Wie hat sich Ihr persönlicher Arbeitsalltag verändert?

Auch wir haben selbstverständlich zum Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf möglichst viel Arbeiten im Homeoffice gesetzt. Mein Geschäftsführerkollege Herr Paelecke und ich wechseln uns im Büro ab. Statt Dienstreisen gibt es Telefon- oder Videokonferenzen. Auch im Homeoffice können wir, nicht zuletzt dank digitaler Kommunikationsmöglichkeiten, unsere Unternehmenskunden umfassend betreuen und mit unseren Finanzierungspartnern ohne Einschränkungen zusammenarbeiten. Ohnehin erfolgt ein großer Teil der Antragstellung und -bearbeitung auf elektronischem Weg. Und Unternehmen oder Gründer, die nach einer Finanzierungsmöglichkeit suchen, können auch über das Finanzierungsportal finanzierungsportal.ermoeglicher.de ihre Anfrage stellen und werden kurzfristig von unseren Mitarbeitern kontaktiert.

Welche Rolle können Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt gerade in der Krise und danach spielen? Informieren Sie bitte auch über Ihre Corona-Finanzierungshilfen für betroffene Unternehmen.

Der wochenlange Stillstand in der Wirtschaft bringt bereits jetzt viele Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten. Das ganze Ausmaß wird sich erst nach Ende der Krise zeigen. Die BB hat deshalb ihre Instrumente weiter geschärft, damit Betriebe wirksame und vor allem schnelle Finanzierungshilfen erhalten können. Unsere Expressbürgschaften, die wir innerhalb von drei Bankarbeitstagen zusagen, haben wir auf maximal 250.000 Euro erhöht und können damit Kredite bis zu 312.000 Euro zu 80 Prozent besichern. Das dürfen auch Unternehmen in Anspruch nehmen, die bereits eine Bürgschaft unserer BB erhalten haben, sofern ihr gesamtes Bürgschaftsvolumen dann nicht 1,25 Mio. Euro überschreitet. Unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen übernehmen wir mit dem BB Express auch 90 Prozent des Ausfallrisikos für Kredite bis 277.700 Euro. Wir verzichten außerdem bei BB Express auf das sonst übliche Bearbeitungsentgelt.
Auch bei unseren klassischen Bürgschaften haben wir die Obergrenze auf 2,5 Mio. Euro verdoppelt und können bis zu 90 Prozent des Kredites verbürgen.
Als aktuelle Hilfe können wir mit in Not gekommenen Unternehmern auch Tilgungsaussetzungen oder Stundungen unbürokratisch vereinbaren. Ich bitte alle Unternehmer, die Auswirkungen auf ihr Geschäft spüren, dass sie frühzeitig auf uns zukommen: telefonisch, per Mail oder über das bereits genannte digitale Finanzierungsportal.

Wie können die Tourismusbranche und die Gastronomie, die besonders von den Einschränkungen durch den Coronavirus betroffen sind, von Ihren Angeboten profitieren?

Die Situation in Gastronomie und Hotellerie ist tatsächlich Besorgnis erregend. Hier hat das Land bereits Hilfsprogramme gestartet. Die Programme von BB und MBG zielen nicht auf bestimmte Branchen, sondern fangen die ganze Breite der mittelständischen Wirtschaft ab. Aber wir haben natürlich eine große Anzahl Hotels und Gaststätten sowie ebenfalls unter den Schließungen leidende Einzelhändler und Dienstleistungsbetriebe im Bestand. Ich denke, unsere Hilfe wird noch lange und gerade auch nach Ende der Coronakrise notwendig sein, wenn die staatlichen Hilfsprogramme bereits wieder beendet sind. Denn dann muss die Wirtschaft wieder kräftig angekurbelt, Liquidität aufgebessert und Investitionen nachgeholt werden. Auch unsere Schwestergesellschaft, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt, wird dann eine maßgebliche Rolle spielen, um die unter der Krise gelittenen Eigenkapitalquoten der Unternehmen wieder aufzubessern. Denn bilanzielles Eigenkapital ist bekanntlich eine Voraussetzung, um günstige Finanzierungshilfen zu erhalten.

Foto von der Jahrespressekonferenz der Bürgschaftsbank im März 2019: Geschäftsführer Heiko Paelecke (li.), Matthias Goldschmidt, Spezialist für Beteiligungen, und Geschäftsführer Wolf-Dieter Schwab (re.)

Wie sehen Sie persönlich als erfahrener Mann der Wirtschaft und langjähriger Geschäftsführer Ihrer Selbsthilfeeinrichtungen der gewerblichen Wirtschaft die umstrittene Diskussion um eine Lockerung der Maßnahmen zur Bekämpfung der gesundheitlichen Folgen der Corona-Epidemie?

Ich denke, der richtige Weg ist eine behutsame Lockerung der Maßnahmen unter der Voraussetzung, dass die Zahl der Neuinfektionen wirklich dauerhaft sinkt. Denn natürlich muss in einer zivilisierten Gesellschaft der Gesundheitsschutz vornan stehen. Aber ich bin auch überzeugt, dass viele Unternehmen mit den vorgeschriebenen Hygiene- und Präventionsmaßnahmen einen halbwegs ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb sicherstellen können. Ich denke dabei an den Einzelhandel mit geregelter Kundenzahl und Sicherheitsabständen, an das Handwerk mit vergleichsweise wenig physischem Kundenkontakt und auch an die Gastronomie im Freien. Not macht erfinderisch, das beweisen derzeit schon viele praktizierte Ideen. Das Bewusstsein für die Gefahren ist bei der Bevölkerung vorhanden, und darauf sollten künftige Entscheidungen mit Bedacht aufbauen.