Sachsen-Anhalt: Kabinett beschließt Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz

Willingmann: Kommunen werden unbürokratisch am Ausbau erneuerbarer Energien beteiligt

Magdeburg, 16. April 2024: Der Ausbau erneuerbarer Energien wird sich für die Kommunen in Sachsen-Anhalt in Zukunft endlich finanziell auszahlen. Das Kabinett hat am Dienstag das Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz beschlossen, das Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann vorgelegt hatte.
Es sieht vor, dass Betreiber neuer Windkraftanlagen sechs Euro je Kilowatt Nennleistung an Kommunen zahlen müssen. Für neue Photovoltaik-Freiflächenanlagen werden drei Euro je Kilowatt Nennleistung fällig. Bei Windkraftanlagen mit einer Leistung von fünf Megawatt können die Kommunen mit jährlichen Erträgen von 30.000 Euro pro Anlage rechnen, bei PV-Freiflächenanlagen mit einem Megawatt-Peak würden 3.000 Euro anfallen.

Minister Armin Willingmann

„Das Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz zeichnet sich dadurch aus, dass es zielgerichtet, bewusst einfach verständlich und unbürokratisch konzipiert ist“, erklärte Willingmann. „Kommunale Akteure können künftig relativ leicht ermitteln, welche finanziellen Einnahmen mit Windkraft- und PV-Projekten in ihren Gemeinden verbunden sein werden. Sie können damit den finanziellen Mehrwert für ihre Gemeinde erkennen und nutzbar machen. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir mit dem neuen Gesetz die breite gesellschaftliche Akzeptanz für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in Sachsen-Anhalt nachhaltig stärken können. Das Land wird in Zukunft nicht nur ein bundesweiter Vorreiter beim Ausbau der Erneuerbaren sein, sondern auch Maßstäbe bei der finanziellen Beteiligung an Zukunftsenergien setzen.“

Der Minister geht davon aus, dass der Landtag bereits kommende Woche erstmals zum Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz beraten wird. Die geplanten Zahlungspflichten sollen für Betreiber von Anlagen gelten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes errichtet wurden. Sie gelten dann aber auch für Repowering-Anlagen, also jene Anlagen, die nach einer gewissen Zeit modernisiert werden. Ausgenommen sind aktuell Bestandsanlagen, da die rechtlich problematische Rückwirkung des Gesetzes vermieden werden soll. Den Betreibern steht es frei, über die Gewinnabschöpfung hinausgehende Zahlungen zu leisten. Anspruchsberechtigt sind Gemeinden im Umkreis von 2,5 Kilometern. Liegen in dem Gebiet mehrere Gemeinden, berechnet sich der Anspruch nach ihrem prozentualen Anteil. Bei PV-Anlagen sind die Gemeinden anspruchsberechtigt, auf deren Gebiet die Anlage steht.

Spielräume für Kommunen

Die Einnahmen können vonseiten der Kommunen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden, sofern sie zur Steigerung der Akzeptanz für Erneuerbare Energien beitragen. Dazu zählen unter anderem die Aufwertung des Ortsbildes, die Sanierung kommunaler Gebäude oder die Finanzierung kommunaler Bauleitplanungen im Bereich erneuerbarer Energien. Damit die Einnahmen in Einheitsgemeinden den unmittelbar betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort zugutekommen, soll die Hälfte der Erträge in den unmittelbar betroffenen Ortsteilen eingesetzt werden. Auch können die Kommunen die Mittel an ihre Einwohnerinnen und Einwohner weitergeben. Bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse sowie der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage nach dem Finanzausgleichsgesetz werden die Erträge aus den erneuerbaren Energien nicht berücksichtigt. Im Anhörungsverfahren habe es bereits viel Zuspruch gegeben, betonte Willingmann. „Wir räumen den Kommunen große Spielräume ein, die Erträge zur Steigerung der Akzeptanz für erneuerbare Energien zu nutzen.“

Bundesweit drei Beteiligungsgesetze in Kraft

Bundesweit sind Beteiligungsgesetze aktuell in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus den Jahren vor 2020 sowie Nordrhein-Westfalen in Kraft; die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern (2017) und Brandenburg (2019) werden aktuell jedoch grundlegend überarbeitet. Neben Sachsen-Anhalt planen die Länder Thüringen, Sachsen, Niedersachsen und Saarland entsprechende Gesetze einzuführen. Bundesweit einheitliche verbindliche Regelungen zur finanziellen Beteiligung hatte das Bundeswirtschaftsministerium aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Willingmann hält dies nicht für stichhaltig und bedauert den Rückzug des Bundeswirtschaftsministeriums aus der Verantwortung für eine bundesweite Regelung. „Angesichts dieser Situation und unserer Diskussionen in der Energieministerkonferenz in 2023 gehe ich davon aus, dass mittelfristig alle Bundesländer auf verbindliche Beteiligungsmodelle setzen“, erklärte Willingmann weiter.

Bitte lesen Sie dazu unsere Nachfragen unten an die zuständigen Ministerien in Brandenburg und Thüringen

Ausbau erneuerbarer Energien nimmt Fahrt auf

Aktuell sind in Sachsen-Anhalt rund 2.760 Windkraftanlagen mit 5.320 Megawatt in Betrieb, damit belegt das Land Platz 5 im Bundesländer-Ranking. Bis zum Jahr 2027 sind aktuell 119 neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 675 Megawatt (MW) in Planung. Im Bereich Solarenergie hat sich das Zubau-Tempo zuletzt verdreifacht. 2023 wurden landesweit mehr als 20.000 Anlagen installiert. Aktuell sind 73.270 Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von 4.161 Megawatt in Betrieb.

Ihre WIRTSCHAFTSPOST wollte in Erfahrung bringen, wie die Länder Brandenburg und Thüringen das Thema reflektieren. Dazu zunächst die Antworten auf unsere Fragen von
Irene Beringer, Pressesprecherin, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (MWAE):

Welche wichtigsten inhaltlichen Änderungen beinhaltet die Anpassung Ihrer Gesetze zu Akzeptanz und Beteiligung der EE-Betreiber in Brandenburg? Was sollte damit erreicht werden?
Das Windenergieanlagenabgabengesetz (10.000 EUR pro Anlage) und der Solareuro (2.000 EUR pro Megawatt) sind darauf ausgelegt, eine Sonderabgabe an die betroffenen Kommunen zu leisten. Diese haben diese Mittel dann gemäß der Zweckbindung im Sinne der Akzeptanzsteigerung zu verwenden. Aktuell ist geplant, den sog. Wind-Euro anzupassen, um das Gesetz in seiner Struktur und Wirkung zu optimieren. Dazu zählen insbesondere Punkte wie die Erhöhung der Abgabe in Anlehnung an § 6 EEG, die Umgestaltung in eine leistungsabhängige Abgabe, die Empfehlung der Ortsteilbeteiligung und die Einführung von Berichtspflichten zum besseren Monitoring des Gesetzes. Ziel beider Gesetze ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz und die lokale Teilhabe bei der Wind- und Solarenergie zu stärken.

Gab es während der Gesetzesplanung in Sachsen-Anhalt Bemühungen, von den Erfahrungen des Landes Brandenburg zu profitieren, welche Tipps können Sie anderen Ländern, die z. T. noch mit freiwilligen Lösungen agieren, geben?
Es gab schon häufiger Erfahrungs- und Informationsaustausche zwischen den Ländern bei Bund-Länder-Arbeitsgruppen, Veranstaltungen (z. B. Akzeptanz/Beteiligungsformat der Fachagentur Wind) oder persönliche Austausche. Auch wurde der Bericht der Landesregierung zum Windenergieanlagenbeteiligungsgesetz Interessierten zur Verfügung gestellt. Die Grundvoraussetzungen in den Ländern und die Meinungen/Diskussionen zu Beteiligungsmöglichkeiten und -verpflichtungen sind sehr unterschiedlich. Für BB ist es wichtig, dass die Kommunen und damit auch die Bürger über einen möglichst unkomplizierten Weg finanziell am Erneuerbare-Energien-Ausbau partizipieren können. Ein „Tipp“ wäre, möglichst verständliche und unbürokratische Regelungen zu treffen.

Begrüßt das Land Brandenburg, dass offensichtlich immer mehr andere Bundesländer eine direkte und verpflichtende finanzielle Beteiligung mit dem Ziel einer Akzeptanzsteigerung für erneuerbare Energien realisieren? Kann damit eine Flucht der Betreiber in abgabefreie Länder verhindert werden?
Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung werden natürlich befürwortet. Eine bundeseinheitliche Verpflichtung in Form der Brandenburger Regelung wäre grundsätzlich der bessere Weg. Dies gilt unabhängig der erwähnten „Betreiber-Flucht“. Davon ist nicht auszugehen, Brandenburg ist auch mit den aktuellen und geplanten Beteiligungsgesetzen ein attraktiver Standort für Erneuerbare-Energien-Anlagen. Eine Abgabenpflicht im Wert von 0,2 ct/kWh (wie im § 6 EEG) wird daran aus unserer Sicht auch nichts ändern.

Auf welche Erfahrungen mit welchen exemplarischen Betreibern blicken Sie in Brandenburg zurück – was motiviert die Betreiber von Windparks und Solarkraftwerken überhaupt, eine Abgabe an die Kommunen zu leisten?
Die Motivation der Betreiber ist der gesellschaftliche Rückhalt vor Ort. Allerdings kann nicht sichergestellt werden, dass alle Betreiber die Möglichkeit der freiwilligen Regelungen nutzen. Daher ist es aus Sicht von BB notwendig, eine finanzielle Partizipation per Gesetz sicherzustellen.

Über welche positiven Beispiele, wie Kommunen in Brandenburg das Geld der Energieanlagenbetreiber wirkungsvoll für die Akzeptanz für erneuerbare Energien eingesetzt haben, können Sie berichten?
Gemäß dem Bericht der Landesregierung zum Windenergieanlagenabgabengesetz planen die Kommunen die Mittel u. a. wie folgt zu verwenden:

  • Energetische Sanierungsmaßnahmen in den kommunalen Liegenschaften.
  • Akzeptanzsteigerung in den betroffenen Ortsteilen, nach den Wünschen der Einwohner.
  • Erarbeitung von Konzepten für klimaneutrale Veranstaltungen
  • Einsatz als Eigenmittel für Förderprogramme.
  • Erneuerung/Instandhaltung: Straßenbeleuchtung, Straßenbau, Gehwege, Bushaltestellen, Eigenmittel für den Radwegebau

Auch Tom Wetzling, Pressesprecher des THÜRINGER MINISTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE UND NATURSCHUTZ beantwortete unsere Fragen:

Wie ist derzeit der rechtliche Stand bei finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen und Bürger in Thüringen beim Aufbau von Windkraftanlagen und Freiflächen-PV? / Welche Möglichkeiten haben Kommunen bisher, finanziell an der Stromerzeugung von Windkraft- und PV-Anlagen beteiligt zu werden?
Wenn es nicht ohnehin Flächen sind, die Kommunen verpachten (Direkteinnahmen) gibt es noch für Windanlagen das Siegel Faire Windenergie. Nachfragen dazu am besten bei der Servicestelle Wind der Landesenergieagentur.

Welche Beteiligungsmöglichkeiten plant die Landesregierung?
Noch nicht durch den Landtag verabschiedet: Thüringens Kommunen sollen künftig verbindlich finanziell profitieren, wenn sich Windräder in einem Umkreis von 2500 Metern drehen und Strom erzeugen. Auf diesen Kompromiss haben sich die rot-rot-grüne Landesregierung und die oppositionelle CDU beim Windbeteiligungsgesetz verständigt. Mit dem Gesetz kann die Akzeptanz von Windenergie in Thüringen gefördert werden. Vorgesehen ist, dass Kommunen künftig von den Betreibern der Windenergieanlagen eine Zahlung von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom verlangen können. Pro Anlagen können das rund 30 000 Euro pro Jahr sein. Eine direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an den Gewinnen aus Windstrom ist hingegen im Gesetzentwurf leider derzeit nicht mehr vorgesehen – die CDU hatte organisatorische Einwände.

Wie viele Windkraftanlagen (WEA) gibt es derzeit in Thüringen und wie viele Anträge wurden für künftige Anlagen gestellt?
In Thüringen werden derzeit rund 870 WEA. Bis Anfang April lagen 32 Anträge (vollständige und unvollständige) für die Errichtung und den Betrieb von 174 Analgen vor, sowie 2 Anträge (vollständig und unvollständig) zur Errichtung und zum Betrieb von 7 WEA im Rahmen von Repowering.

Welche Einnahmen erwarten Sie insgesamt für die Kommunen durch geplante finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten?
Lässt sich nicht insgesamt beziffern. S. oben: Die Abgabe für die Kommunen soll sich auf 0,2 Cent je eingespeiste Kilowattstunde belaufen. Das sind rund 30.000 Euro pro Jahr für jedes neue Windrad (gilt auch bei Repowering)

Welche Möglichkeiten gibt es für Kommunen, in denen bereits Windkraft- oder PV-Anlagen stehen?
Neben Pachteinnahmen oben genanntes Siegel und bei gültigen Windbeteiligungsgesetz auch Repowering


Link zum WIPO-Branchenblog ENERGIE UND UMWELT