Beitrag von von Bettina Koch

An Traktoren-Karawanen und an Bauern-Demos in Berlin, vor Landtagsgebäuden oder vor dem Umweltbundesamt haben sich die Bürger in den Wintermonaten fast schon gewöhnt.
Tausende Landwirte kämpften im verbandsübergreifenden Zusammenschluss „Land schafft Verbindung“ dafür, dass wieder mehr mit ihnen als über sie gesprochen wird. Sie wollen, dass politische Entscheidungen nicht über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, dass nicht sie mit der verschärften Düngeverordnung für Analysefehler der Behörden zur Nitratbelastung des Grundwassers sowie für Abwässer aus Industrie und Kommunen die Köpfe hinhalten müssen. Sie wollen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird und wettbewerbsfähig bleibt. Nun fallen die Bauern-Proteste aufgrund der Corona-Krise erst einmal aus – auf unbestimmt Zeit.
Dennoch dürfte sich die Wahrnehmung von Politikern und Bürgern derzeit ein wenig ändern. „Wir essen und trinken täglich, Landwirt ist der wichtigste Beruf“, hat Judith Kons vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft kürzlich auf dem Bauerntag des Deutschen Bauernbundes in Barleben bei Magdeburg gesagt. „Es ist unbestritten, dass wir mehr Aufklärung brauchen“, sagte Dr. Ralph-Peter Weber, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalt.
Nun hat die Landesregierung Sachsen-Anhalt in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass die Landwirtschaft zur kritischen Infrastruktur gehört. Eltern, die in der Landwirtschaft arbeiten, können ihre Kinder somit in die Notbetreuung geben, sofern sie keine andere Möglichkeit der Betreuung haben. „Es ist für unsere landwirtschaftlichen Betriebe extrem wichtig, dass sie arbeitsfähig bleiben. Die Milchkühe müssen versorgt werden, die Äcker bestellt. Deshalb sollen Eltern, die in der Landwirtschaft tätig sind, unbedingt weiter zur Arbeit gehen können“, bekräftigte Landwirtschaftsministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert die Entscheidung.
Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sei auch in der Corona-Krise gesichert. „Es sind genügend Lebensmittel da“, versicherte die Landwirtschaftsministerin. Die Versorgungslage werde ständig und sehr aufmerksam beobachtet, um gegebenenfalls im richtigen Moment und mit den adäquaten Mitteln zu reagieren. Der Lebensmittelhandel reagiert auf die gestiegene Nachfrage und hat sein Lieferregime dementsprechend angepasst.
Der Wunsch nach Wertschätzung für die heimische Landwirtschaft scheint vorübergehend teilweise erfüllt. Doch grundlegende Probleme bleiben. „Wir sorgen für Essen in hoher Qualität, Erhöhungen der Lebensmittelpreise kommen aber fast nie bei den Bauern an“, sagte DBB-Präsident Kurt-Henning Klamroth. Die Einkommen seien in Deutschland niedriger als bei europäischen Kollegen und lägen deutlich unter dem Durchschnitt. Immer weniger junge Bauern seien bereit, die Höfe der Eltern zu übernehmen. Kosten für immer neue Agrarumweltmaßnahmen drückten die Gewinne zusätzlich. Der bürokratische Aufwand steige. „Viele Betriebe stehen am Abgrund“, bestätigte Frank Böcker, Landwirt aus Emden im Bördekreis und Sprecher der Interessengemeinschaft „Land schafft Verbindung“.
„Mit Preisen für Getreide oder Fleisch aus Ländern, die nicht derart hohe Auflagen erfüllen müssen wie wir, können wir nicht mithalten“, sagte Arthur Taentzler, der einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Cochstedt führt, im Zusammenhang mit den Bauernprotesten. Doch den Lebensmitteleinzelhandel schert es wenig. Man orientiere sich an den Weltmarktpreisen hatte Aldi bei Milchpreisverhandlungen kürzlich zum Besten gegeben.
„Wir fahren unsere Landwirtschaft gegen die Wand, während große Teile der Weltbevölkerung hungern“, befürchtet Helge Beckurs, Landwirt aus Hordorf im Bördekreis und internationaler Agrarberater. „Durch Importe kommen immer mehr Nahrungsmittel auf den Tisch, die von unseren Standards weit entfernt sind.“ Burghard Meier, Geschäftsführer von Meier und Partner Agrarservice sieht die Gefahr, dass die Eigenversorgung mit Lebensmitteln aus deutscher Urproduktion aufgrund immer neuer Auflagen und steigender Kosten bei stagnierenden oder sinkenden Erzeugerpreisen nicht mehr gewährleistet sein könnte. „Deutschland begibt sich damit in eine fatale Abhängigkeit“, warnte er. Spätestens wenn Warentransporte aufgrund der Corona-Krise an den Grenzen gestoppt werden, wird klar, wie wichtig es ist, dass Deutschland diese Eigenversorgung weiterhin sichern kann.



